Badezimmergemütlichkeit
|
Im Bad ist es ja so gemütlich. Warm und ein bisschen schummerig, von all dem Dampf in der Luft. Das Wasser ist glatt und seifig und plätschert leise beim Spielen.
Jules Finger sind auch seifig, aber so glatt wie sonst sind sie nicht, sondern ziemlich runzelig.
Papa hockt neben der Wanne auf Jules rosa Plastikschemel, der eigentlich für Jules Füße ist, wenn sie auf der Toilette sitzt. Er liest ein Buch. Zuerst hat er ein bisschen mitgespielt, aber dann hat er sich über sein dummes Kreuz beschwert.
„Das will sich nicht über die Badewanne beugen“, hat er gesagt. „Es will sich viel lieber an die Wand lehnen. Wenn ich so ein biegsames Kreuz hätte wie du ...“
Na klar, Papa kann nicht einmal an seiner großen Zehe lutschen, so ein unbiegsames Kreuz hat er. Der Ärmste! Er würde doch fürs Leben gern Gummitiere schwimmen lassen, so aber kann er nicht und muss ein Buch lesen. Das Lesen ist noch dazu anstrengend, sodass Jule fünfmal rufen muss, wenn sie warmes Wasser braucht, weil Papa einfach nicht hört.
Jule seift jetzt die Lukipuppe ein, die davon glitschig wird wie der Max, wenn Tine ihn badet. Das Gute am Max ist, dass er im Wasser zappelt und strampelt. Das tut die Lukipuppe leider nicht, sie bewegt sich kein bisschen. Außerdem ist das kleine Ding, das der Luki zwischen den Beinen hat, nicht ganz richtig. Es ist viel zu winzig. Der Max hat da noch ein Säckchen dran hängen, und Tine hat gesagt, so stimmt es, und so sieht ein Jungenbaby in Wirklichkeit aus, und Jule soll ruhig hintupfen, davon geht es nicht kaputt. Doch da fing der Max gerade so schrecklich zu brüllen und zu zappeln an, dass Jule den Finger gleich wieder zurückgezogen hat.
Wenn sie selbst ein echtes Baby hätten ...
Die Tür geht auf und Mama kommt herein.
„Ich bin blind“, jammert sie und tastet mit ausgestreckten Händen herum.
Das macht sie immer und Jule kichert ein bisschen vor Schreck, weil Mamas Brille voller Dampf ist und man ihre Augen nicht sieht und weil das ziemlich gruselig ist.
„Spielt ihr auch schön?“, fragt Mama. Sie wedelt mit der Hand den Dampf weg. Dann nimmt sie endlich die Brille ab und legt sie vorsichtig auf die Fensterbank. Sie guckt von Jule zur Ecke neben der Badewanne, wo Papa hockt und sie angrinst.
„Klar spielen wir schön, was, Jule?“, sagt er.
Jule nickt. „Könnten wir vielleicht auch ein echtes Baby haben?“, sagt sie. „So eines, das richtig schwer ist, wenn man es auf die Waage legt? Der Luki ist mickerig, hat der Adi gesagt.“ Jule hebt den tropfenden Luki hoch.
„Und das Dings da ist auch nicht richtig“, sagt sie und zeigt hin.
„Das ist nicht richtig?“, staunt Mama.
„Du musst mal ein richtiges anschauen“, empfiehlt ihr Jule. „Warum kann nur der Adi ein echtes Baby haben und ich nicht?“
Papa steht vom Boden auf und setzt sich an den Badewannenrand. Mama setzt sich auf den Klodeckel.
Jetzt gucken sie alle beide ganz wichtig drein und das mag Jule. „Warum nicht?“, wiederholt sie.
Mama seufzt und sieht Papa an.
Papa seufzt und sieht Mama an. Dann sagt er zu Jule: „Weil die Mama mit einem Baby nicht mehr arbeiten kann, darum.“
„Weil wir dann überhaupt nicht mehr Junges-Paar-ohne-Kind spielen könnten“, sagt Mama. „Übrigens, morgen wollen wir wieder mal. Ich muss in den Verlag und Papa begleitet mich.“
„Ich darf zu Opa?“, jubelt Jule.
Mama nickt. Sie wirft Papa Jules Handtuch zu und hebt den Plastikschemel auf, um ihn für Jule ans Klo zu stellen. Dann bückt sie sich noch einmal.
„Ach, sieh mal an. Was haben wir denn unter dem Fußschemel versteckt?“ Sie richtet sich auf und wedelt mit Papas Buch.
„Oooch“, sagt Papa. Er wickelt Jule ins Handtuch und rubbelt sie kräftig trocken. „Mein Kreuz, weißt du“, nuschelt er.
„Ja, es biegt sich nicht“, bestätigt Jule.
„Aber ein Vorlesebuch hätte dein Papa auch nehmen können“, sagt Mama.
Damit hat sie sicher recht. Jule wird es sich fürs nächste Mal merken.